Ein Beitrag über Verteidigungsmöglichkeiten gegen telekommunikative Belästigungen

Kennen Sie diese Situation? Sie kommen morgens ins Büro und müssen erst einmal 10 Werbefaxe über Angebote für Tonerfüllungen, Anhängerkupplungen und in China hergestellter Minibikes mit Bitte um Rückantwort an eine 0900er Nummer aussortieren, nach Hochfahren des Computers erhalten Sie 53 Mails, davon 50 Angebote für Viagra, ein- oder zweideutige Angebote für Abendbeschäftigungen, sowie freundliche Mitteilungen, angeblich von Ihrer Sparkasse, die Sie vorsorglich löschen.

Danach erhalten Sie 5 freundliche Anrufe von einem Verlag, der Sie über neue Fachliteratur informiert, einem neuen Beraterhaus, das Ihre EDV- Anlage optimieren möchte sowie mehreren Versicherungsvertretern, die über optimale Versicherungsleistungen beraten wollen. Nachdem Sie in der Zwischenzeit etwas arbeiten konnten und Ihre Sekretärin angewiesen haben, keinerlei neue interessante Angebote an Sie weiter zu reichen, sinken sie abends um 21.00 Uhr zur Entspannung auf die Couch, wo Sie sodann telefonisch ein Marktforschungsunternehmen erreicht, welches in dieser entspannten Atmosphäre um Ihre Mitwirkung bei der Optimierung von Verbraucherangeboten bittet.

Nachdem Sie genervt auflegen, stellen Sie fest, dass noch drei Anrufe auf dem Anrufbeantworter vorliegen; beim Abruf können Sie sich sodann über drei freundliche Computerstimmen freuen, die Ihnen mitteilen, dass nach Anruf einer nicht gerade günstigen 0190-Nummer Ihnen die Chance auf den Hauptgewinn zuteil werden könnte.

All dies beschreibt Formen des Direkt-Marketings, die im Umfeld stark sinkender Telefonkosten bei Möglichkeiten von Internettelefonie, DSL- Flatrates und EDV-gestützten Massenfaxen Unternehmen die faktische Möglichkeiten geben, bei immer geringer werdendem Kostenaufwand einem extrem großen potentiellen Kundenkreis Absatzmärkte zu erschließen. In Verbindung mit kommerziellem Adresshandel können Unternehmen damit sogar die Zielgruppen optimieren und damit die Trefferquote noch erheblich erhöhen.

Umgekehrt bedeutet dies für den Angesprochenen eine zunehmende Belästigung durch direkte Werbeangebote, die im Ergebnis maßgeblich diesen Zeit, Geld und Nerven kosten und nach unserer Meinung nur als Plage zu bezeichnen sind, soweit in die Werbung nicht durch den Angesprochenen zuvor eingewilligt worden ist oder sie eine konkret, bereits zuvor bestehende Vertragsbeziehung betrifft.

Das muss man sich jedoch nicht gefallen lassen:
Solche Belästigungen stellen jedoch nicht nur eine gesellschaftlich missachtete Plage dar, sondern sind nach gefestigter Rechtsprechung auch von der Rechtsordnung missbilligt und können folglich vom Betroffenen mit vernünftigen Erfolgsaussichten auch unterbunden werden.

1. Telefon-Direkt-Marketing – Cold Calls

Die Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung stellt grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 2 Ziffer 2 UWG und damit eine unlauterere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG dar.

a) Wettbewerber und Verbände
Folglich können Wettbewerber des Anrufenden diesen Wettbewerbsverstoß mit Ansprüchen auf Unterlassung und Beseitigung gemäß § 8 UWG zunächst durch Abmahnung, sodann gegebenenfalls durch einstweilige Verfügung und/oder Unterlassungsklagen geltend machen.

Kosten einer berechtigten Abmahnung sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG vom Verletzer zu erstatten, was insbesondere die Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung der Ansprüche betrifft.

Neben Wettbewerbern können diese Ansprüche auch von Verbraucher oder Wettbewerbsverbänden im Sinne § 8 Abs. 3 Ziffer 2 sowie von den Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern geltend gemacht werden.

b) Der angesprochene Unternehmer
Der angesprochene Unternehmer selbst kann sich dem hingegen grundsätzlich nicht auf das Wettbewerbsrecht berufen. Ihm steht allein der Weg über das Recht am eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb, in das durch die entsprechenden Anrufer eingegriffen werden kann, offen, was zu Schadenersatz und Unterlassungsansprüchen gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB führen kann.

c) Verbraucherrechte
Gegenüber dem Verbraucher stellt das unaufgeforderte Anrufen zu Werbezwecken nach gefestigter Rechtsprechung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.03.1988 -5 W 13/88, NJW 1988, 2615). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass durch die Telefonwerbung eine „besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre des Angerufenen“ eintritt (LG Hamburg, Beschluss vom 14.02.2005 -315 T 1/05); entsprechend können Verbraucher Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf §§ 823, 1004 Abs.1 BGB stützen und damit das Verhalten für die Zukunft gerichtlich untersagen lassen.

Anzumerken ist noch, dass es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Anrufende vorgeblich einen aus seiner Sicht „ehrenwerten Zweck“ verfolgt. So hat die Rechtsprechung sowohl unverlangte Telefonanrufe durch Marktforschungsunternehmen, die zumindest mittelbar zur Förderung der Produkte ihrer Auftraggeber tätig werden ( LG Hamburg, Urteil vom 30.06.2006 -309 S 276/05 CR 2006, 752), wie auch Wahl-Werbeanrufe durch politische Parteien im Ergebnis Werbe- Anrufen gleichgestellt.

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